Radschnellwege in der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg
Erste umfassende Machbarkeitsstudie für Radschnellwege in Deutschland

Ausgangssituation
Radschnellwege sind in einigen europäischen Ländern bereits Teil des planerischen Repertoires für Radverkehrsförderung, insbesondere in den Niederlanden umgesetzt mit den Zielen der Entlastung des ÖPNV in der Morgenspitze und der CO2-Minderung. Vor Umsetzung einzelner Routen werden die Merkmale modellhaft für andere Städte und Regionen in Deutschland diskutiert (Tagung in Hannover am 23.11.2011).
Die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg hat Mobilität als eines Ihrer Schwerpunktthemen definiert, das Thema Radverkehr mit Einbeziehung von Radschnellwegen systematisch untersucht und damit frühzeitig erkannt, dass zu einer nachhaltigen Verkehrsstrategie auf regionaler Ebene auch die Förderung des Radverkehrs gehört.
Im Jahr 2008 wurde mit Förderung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) ein Konzept für eine "Radverkehrsstrategie" in der Metropolregion entwickelt. Als ein Ergebnis dieser Strategie hat sich in der Diskussion das Thema Radschnellwege als ein Schwerpunkt für die weitere Arbeit herauskristallisiert. Die Umsetzung von Radschnellwegen als innovatives Konzept zur Förderung des Alltagsradverkehrs hat in der Folgezeit eine starke Dynamik entwickelt. Die Beteiligten sehen gute Chancen, mit derartigen attraktiven Angeboten neue Potenziale im Radverkehr zu gewinnen und zu einer umweltverträglichen Bewältigung des alltäglichen Verkehrs beizutragen.
Im Rahmen der vom BMVBS geförderten Machbarkeitsstudie wurde das Thema Radschnellwege in unserer Metropolregion erstmalig in Deutschland systematisch angegangen. Das Vorhaben hat sich zu einem Leuchtturmprojekt entwickelt und wird derzeit bundesweit viel diskutiert. Schließlich ist die Zeit günstig für Radschnellwege: Durch Ziele und Anforderungen aus Klimaschutzrahmenprogrammen, die starke Zunahme von Elektrofahrrädern, steigende Energiekosten sowie Aspekte der Gesundheitsförderung steigt die Bedeutung eines attraktiven und sicheren Radverkehrs.
Auch in den neuen Regelwerken der FGSV werden die Überlegungen zu "Radschnellverbindungen" aufgegriffen und damit die planerischen Voraussetzungen zur Umsetzung dieses Elements in der Bundesrepublik geschaffen. Radschnellwege werden in die Handlungsempfehlungen des Nationalen Radverkehrsplanes 2020 eingehen.
Projektdurchführung
Radschnellwege sind ein neues, hochwertiges Netzelement für den Alltagsradverkehr in Deutschland, das den Radfahrenden im Entfernungsbereich über 5 km (bis etwa 15 bis 20 km) ein zügiges und attraktives Fahren erlaubt. Sie richten sich im Wesentlichen an den Alltagsradverkehr (vor allem für Berufs- und Ausbildungswege) in Ballungs- und Verdichtungsräumen. An Radschnellwege werden besondere Qualitätsanforderungen gestellt: Sie sollen insbesondere ein zügiges Fahren und geringe Zeitverluste durch Anhalten und Warten an Knotenpunkten ermöglichen, verlaufen auf bestehenden Wegen und sind integrierter Bestandteil kommunaler Radverkehrsnetze.
Zusammenarbeit der Akteure
In der Machbarkeitsstudie wurde auf Grundlage eines konkreten Anforderungenkataloges geprüft, welche Relationen in der Metropolregion grundsätzlich für Radschnellwege eignen und das entsprechende Radverkehrspotenzial ermittelt. Die Untersuchung wurde von der Arbeitsgemeinschaft Planungsgemeinschaft Verkehr (PGV) und SHP Ingenieure aus Hannover bearbeitet und von der Lenkungsgruppe Radverkehrsstrategie der Metropolregion und den beteiligten Kommunen begleitet. In Arbeitsgruppen und Workshops wurden die Ergebnisse diskutiert und über Newsletter in die Kommunen der Metropolregion kommuniziert. Der Endbericht kann im Internetportal der Metropolregion eingesehen werden.
Ziele der Untersuchung
- die Machbarkeit von Radschnellwegen generell zu bewerten,
- dabei die grundsätzliche Übertragbarkeit des Ansatzes zu berücksichtigen,
- Maßnahmenkonzepte, aber auch mögliche Hemmnisse zur Umsetzung der Radschnellwege aufzuzeigen,
- die Standards für Radschnellwege im Hinblick auf die unterschiedlichen Anforderungen und Problemstellungen weiterzuentwickeln sowie
- die Kosten für die Umsetzung abzuschätzen.
Festlegung von Qualitätsstandards für Radschnellwege
Als Grundlage der Machbarkeitsstudie wurden Qualitätstandards festgelegt, welche die zukünftigen Radschnellwege in der Metropolregion erfüllen sollen. Diese Standards wurden im Rahmen eines Arbeitskreises mit Beteiligung von Vertretern von Kommunen und Verbänden abgestimmt. Zusammengefasst dargestellt wurden die folgenden Vorgaben beschloßen:
- Auf verkehrsreichen Straßen Führung möglichst getrennt vom Kraftfahrzeugverkehr
- Auf Erschließungsstraßen Führung im Mischverkehr mit dem Kraftfahrzeugverkehr
- Mindestens 4,00 m Breite im Zweirichtungsbetrieb
- Hohe, witterungsunabhängige Belagsqualität (bituminöse Bauweise oder Beton als Standard)
- Keine ungesicherten Querungen; geringe Zeitverluste an Lichtsignalanlagen
- Vermeidung von Netzhindernissen (z. B. Umlaufsperren, scharfe Knicke)
- Durchgängige Beleuchtung
- Regelmäßige Wartung; Wartungshotline
- Durchgängige Zielwegweisung
Exemplarische Untersuchung einzelner Routen
In dem zweistufigen Verfahren wurden zunächst sechs Routen untersucht. Dies waren die Routen:
- Garbsen Hannover
- Gifhorn Wolfsburg
- Laatzen Hannover
- Lehrte Hannover
- Rosdorf Göttingen
- Wolfenbüttel Braunschweig
Erste Untersuchungsphase
In der ersten Phase erfolgte eine Prüfung und Bewertung hinsichtlich der grundsätzlichen Eignung dieser Strecken. Dazu wurde das Potenzial ermittelt, mögliche Alternativrouten untersucht sowie die verkehrstechnische Machbarkeit und Umsetzung geprüft. Mittels einer Befahrung wurden für alle sechs Routen folgende Zustandsdaten erfasst und mit einer Fotodokumentation belegt:
- Führung des Radverkehrs
- Art und Betrieb der Radverkehrsanlage
- Wegebreite
- Belag einschließlich punktueller Belagsmängel
- Baulicher Zustand
- Führung hinsichtlich Kurvigkeit und Sichtverhältnisse
- Hindernisse, Barrieren und Gefahrenstellen
- Wartezeiten an Lichtsignalanlagen
- Beleuchtung, vorhandene Angsträume
- Art und Qualität der Wegweisung
Aus der Zustandsanalyse und den definierten Qualitätsanforderungen wurde der Handlungsbedarf für jede Strecke abgeleitet.
Die Ergebnisse der ersten Stufe zeigen, dass aus verkehrlicher Sicht alle untersuchten Routen als Radschnellwege geeignet sind. Die ermittelten Korridore von 10 bis 20 km Länge weisen bereits ein hohes Qualitätsniveau auf und können den Standard für Radschnellwege grundsätzlich erreichen.
Zweite Untersuchungsphase
Auf Grundlage der Untersuchung für die sechs Routen erfolgte in der zweiten Stufe eine vertiefende Machbarkeitsuntersuchung von drei besonders geeigneten Relationen hinsichtlich des konkreten Handlungsbedarfs. Als Ergebnis der ersten Stufe wurden als Modellbeispiele für unterschiedliche Verbindungstypen die folgenden Routen ausgewählt und vertiefend untersucht:
- Wolfenbüttel Braunschweig (ca. 12 km) Verbindung zwischen Mittel - und Oberzentrum
- Rosdorf Göttingen (ca. 10 km) - Innenstadtnahe Führung
- Garbsen Hannover (ca. 14 km) Verbindung zwischen Stadt und Umland
Begründung für die Auswahl waren die technische Bewertung (z. B. aktueller Zustand, Nutzungspotenzial), die Modellhaftigkeit und damit Übertragbarkeit der Ergebnisse sowie die Realisierungschancen aufgrund der Unterstützung vor Ort.
In der vertiefenden Untersuchung wurden zusätzlich Maßnahmen für die Erreichung eines Radschnellwegestandards erarbeitet und eine erste Kostenschätzung vorgenommen. Im Rahmen der Untersuchung wurden folgende Baukosten abgeschätzt:
- Wolfenbüttel Braunschweig (ca. 12 km): 5,1 Mio. Euro. Das entspricht einem durchschnittlichen Kilometerpreis von etwa 400.000 Euro/km.
- Rosdorf Göttingen (ca. 10 km): 2,5 Mio. Euro. Das entspricht einem durchschnittlichen Kilometerpreis von etwa 300.000 Euro/km.
- Garbsen Hannover (ca. 14 km): 5,6 Mio. Euro. Das entspricht einem durchschnittlichen Kilometerpreis von etwa 390.000 Euro/km.
In den Baukosten nicht enthalten sind Planungs- und Verfahrenskosten, Kosten für Grunderwerb und Ausgleichs-/Ersatzmaßnahmen sowie für Vermessung und Fachgutachten.
Derzeit (Sommer 2011) werden die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie in den Kommunen intensiv diskutiert, fachliche Lösungen für unterschiedliche Problemfelder untersucht und infrage kommende Fördergelder geprüft, um die Planungsvoraussetzungen für eine Umsetzung zu schaffen. Ebenfalls werden in einzelnen Kommunen bereits für die Umsetzung notwendige politische Beschlüsse gefasst.
Ausblick
Radschnellwege sind als innovativer Baustein in der metropolitanen Mobilitätsstrategie geeignet, den Alltagsradverkehr zu fördern und Verlagerungen vom Pkw auf das Rad zu bewirken. Die Ergebnisse werden von der Metropolregion und dem BMVBS auf einem bundesweiten Workshop im November 2011 in Hannover vorgestellt. Ziele des Workshops sind, die Ergebnisse zu diskutieren, das neue Instrument Radschnellwege für Politik, Verwaltung und Bürger hinsichtlich der Maßnahmen und Kosten transparent zu machen und eine sachgerechte Diskussion in den Kommunen zu unterstützen.
Der politische Wille und die Unterstützung zur Umsetzung in den beteiligten Kommunen sind gegeben. Es gibt bereits Nachfragen zu Folgeprojekten. In der Region Hannover erfolgt für die Route Laatzen - Hannover in diesem Jahr eine vertiefte Machbarkeitsstudie außerhalb der Förderung des BMVBS. Ob und wann eine Umsetzung erfolgen kann, wird davon abhängen, ob sich bestehende Nutzungskonflikte lösen lassen und wie eine mögliche Finanzierung aussehen kann. Bisher gibt es kein spezielles Förderinstrument für Radschnellwege. Deswegen sind nun Gespräche mit dem Bund und dem Land erforderlich. Wünschenswert wäre eine Förderung der Umsetzung von Pilotstrecken mit unterschiedlicher Charakteristik.
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