Radtourismus und Alltagsradverkehr
Radverkehrsförderung in der Stadt Waren (Müritz)

1. Ausgangslage
Der staatlich anerkannte Luftkurort Waren (Müritz) (ca. 22.000 Einwohner) liegt in Mecklenburg-Vorpommern und ist Kreisstadt des Landkreises Müritz mit der Funktion eines Mittelzentrums. Der für die Region bedeutsame Wirtschaftsstandort Waren (Müritz) zeichnet sich durch eine Mischung von produzierendem Gewerbe und touristischen Dienstleistern aus.
Das Stadtgebiet Waren (Müritz) hat eine Ausdehnung von etwa 5 km sowohl in Ost-West-Richtung als auch in Nord-Süd-Richtung. Vor der Wende war das Radverkehrsaufkommen verhältnismäßig hoch. In Folge des erheblich angestiegenen Kfz-Verkehrs in den 90er Jahren wurden konzeptionelle Anstrengungen notwendig, dem Prädikat Luftkurort auch aus verkehrspolitischer Sicht gerecht zu werden.
Der durch das Stadt- und Kreisgebiet führende Radfernweg Berlin-Kopenhagen ist Teil des Radfernwegenetzes Deutschland. Durch die im Lauf der vergangenen Jahre neu geschaffenen Radverkehrsverbindungen im kompakten Stadtgebiet von Waren (Müritz) sind alle Stadtteile an die Altstadt angeschlossen.
Zwischen 1995 (443 Kfz/1.000 Einwohner) und 2005 (506 Kfz/1.000 Einwohner) ist ein deutlicher Motorisierungszuwachs zu verzeichnen. Aktuelle Verkehrszählungsdaten zum Fahrradverkehr liegen nicht vor.
2. Verkehrspolitisches Konzept
Angesichts des großen Einzugsgebietes der Stadt Waren (Müritz) und
einem allgemeinen Motorisierungszuwachs seit 1990 konnte das im
Verkehrsentwicklungsplan 1991 genannte Ziel der Verkehrsberuhigung
im Innenstadtbereich nur durch folgendes Gesamtkonzept erreicht
werden:
- Lenkung des motorisierten Individualverkehrs über leistungsfähige Straßen,
- Konzept zum ruhenden Verkehr.
Durch Restriktionen wie Netzunterbrechungen, Abbiegeverbote und Einbahnstraßen wurde das Durchfahren des Zentrums begrenzt. Die Neugestaltung von Straßenzügen und Plätzen der Innenstadt trägt zusammen mit der Aufhebung von Parkplätzen zur Attraktivität der Altstadt bei. Im gesamten Innenstadtbereich gilt Tempo-30.
Seit 1995 wurden am Rand der Innenstadt mehrere neue Parkplätze geschaffen, die Parkraumbewirtschaftung erweitert und ein touristisches Wegeleitsystem eingerichtet. Insgesamt stehen ca. 1.000 Parkplätze zur Verfügung.
1999 wurde durch einen Beschluss der Stadtvertretung festgelegt, "fahrradfreundliche Stadt Waren (Müritz)" zu werden, um eine Trendwende in der Verkehrsmittelwahl zu Gunsten des Fahrrades einzuleiten und den motorisierten Individualverkehr deutlich zu senken. 2001 bewarb sich die Stadt für die Teilnahme am Modellvorhaben "Fußgänger- und fahrradfreundliche Stadt" des Umweltbundesamtes.
Im Rahmen des von der Stadt 2002 beschlossenen Agenda
21-Arbeitsprogrammes wurde für den Bereich Verkehr eine ökologisch
zukunftsfähige Entwicklung beschlossen, die den Status "Luftkurort"
sichern soll. Als Leitbilder und Arbeitsprogramm wurden für die
Verkehrsentwicklung der Stadt Waren (Müritz) im Rahmen des
Agenda-Prozesses folgende Planungsschwerpunkte beschlossen:
- Autofreie Innenstadt
- Optimierung des Radwegenetzes
- Müritz-Nationalpark-Ticket verstärkt unterstützen
- Keine weitere Asphaltierung von Rad- und Wanderwegen (v.a. im Außenbereich und im Müritz-Nationalpark)
Die Neuorganisation des Stadtbussystems ab 2007 ist wichtiger Bestandteil der Planungen für eine autofreie Innenstadt.
3. Organisationsstruktur und Beteiligungskultur
Nach dem Beschluss der Stadtvertretung zur Erarbeitung einer Lokalen Agenda 21 (1997) wurde ein koordinierendes Büro Lokale Agenda 21 innerhalb der Stadtverwaltung eingerichtet. Auf dem ersten Bürgerforum 1999 gründeten sich die Arbeitskreise Umwelt, Wirtschaft und Soziales mit Mitgliedern aus Vereinen und Bürgerschaft. Die nachfolgenden Bürgerforen dienten der Präsentation und Diskussion von Zwischenergebnissen und Vorortbegehungen.
Die Überlegungen des Arbeitskreises Umwelt mündeten in Thesen zum Themenfeld "Verkehr" als Leitlinien und Arbeitsprogramm.
Der Agenda-Prozess wurde von Seiten der Politik und Verwaltung in einem Lenkungskreis bzw. im Agenda-Beirat begleitet. Die Universität Rostock übernahm die Moderation und wissenschaftliche Begleitung. Durch Pressemitteilungen wurde die Arbeit nach außen hin kommuniziert.
Das Gesamtleitbild "Die Stadt Waren (Müritz) - vom Luftkurort zum Soleheilbad" und die in den Arbeitskreisen erarbeiteten Thesen wurden 2002 von der Stadtverordnetenversammlung zur Kenntnis genommen.
Auf Grundlage des 1999 von der Stadtverordnetenversammlung getroffenen Beschlusses "Fahrradfreundliche Stadt" zu werden, wurde innerhalb der Verwaltung die Arbeitsgruppe "Fahrradfreundliche Stadt" gebildet, die bis 2003 durch eine Fahrradbeauftragte unterstützt wurde. Aufgabe der Arbeitsgruppe ist die weitere Optimierung des Radverkehrsnetzes und die Öffentlichkeitsarbeit.
Bei allen Planungen der städtischen Radverkehrsförderung gibt es eine enge Zusammenarbeit mit dem Landkreis Müritz. Dieser unterhält innerhalb des Amtes für Kreisentwicklung eine eigene Personalstelle mit dem Aufgabengebiet Radwegebau/-unterhaltung.
4. Konzepte zur Förderung des Radverkehrs
Der Fahrradtourismus wird im Landkreis Müritz und in der Stadt Waren (Müritz) als bedeutendes und weiter wachsendes Tourismussegment eingeschätzt. Das engmaschig konzipierte kreisweite Radwegenetz wird bis 2010 weiter ausgebaut.
4.1 Das Radwegekonzept des Landkreises Müritz
Im Jahr 2000 hat der Landkreis Müritz in Abstimmung mit den Städten
und Gemeinden ein Programm zum Ausbau des landkreisweiten
Radwegenetzes aufgelegt. Innerhalb des Amtes für Kreisentwicklung
wurde eine eigene Personalstelle mit dem Aufgabengebiet
Radwegebau/-unterhaltung geschaffen.
Das mittlerweile ca. 456km umfassende Netz besteht aus:
- Die Region tangierende Radfernwege (Berlin-Kopenhagen -D-Route, Mecklenburgische Seen-Radweg)
- Regionale Radwanderwege
Diese Wege werden i.d.R. als Freizeitrouten angelegt und dienen der touristischen Erschließung eines bestimmten Gebietes.
- Überörtliche Radwanderwege
Sie sind das Verbindungsglied zwischen den Radfernwegen und den regionalen Radwanderwegen und ergänzen so die fahrradtouristische Erschließung einer Region. Diese vernetzende Funktion ermöglicht es, sowohl Rundfahrten in beliebiger Länge, als auch gezielte Streckenfahrten durchzuführen, z.B. Müritz-Rundweg.
- Alltagsrouten
Der Hauptzweck dieser Routen liegt im Alltagsverkehr. Dabei handelt es sich vorwiegend um straßenbegleitende Radwege.
In 2005 verliefen 45% der ausgewiesenen Radwege auf Bundes-, Landes-, Kreis- oder Gemeindestraßen und 55% auf Feld-, Waldwegen und separaten bzw. straßenbegleitenden Radwegen. Bis 2010 sollen weitere straßenbegleitende Radwege angelegt werden, Unfallschwerpunkte beseitigt und die Oberflächenbeschaffenheit der Wege verbessert werden.
Das kreisweite Radwanderwegenetz wurde in den vergangenen Jahren sukzessive mit einer Fahrradwegweisung ausgestattet. Außerhalb der Schutzgebiete wie z.B. dem Müritz-Nationalpark wurde dabei den Empfehlungen des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern zur landesweiten Fahrradwegweisung gefolgt. Die Verwaltung des Müritz-Nationalpark verwendet für die Wander- und Radwegweisung aus Holz gefertigte Schilder.
Eine Vereinbarung zwischen dem Landkreis und den Städten und Gemeinden gewährleistet die langfristig gesicherte Unterhaltung der Radwege und ist wichtiger Bestandteil zur Qualitätssicherung. Dazu gehört beispielsweise die regelmäßige Überprüfung der Radwege, der Beschilderung, der Übersichtstafeln und aller Rast- und Schutzhütten.
4.2 Konzepte und Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur in Waren (Müritz)
4.2.1 Radverkehrsnetz und Wegweisung
Im Rahmen der Altstadtsanierung wurde die Führung der Radwege innerhalb der Altstadt und in Fortführung für das gesamte Stadtgebiet als flächendeckendes Radwegenetz geplant. Die vor 1997 bereits vorhandenen größtenteils straßenbegleitenden Radwege wurden zu einem Netz komplettiert.
Das 1997 entwickelte Radverkehrsnetz besteht aus Hauptverbindungen zwischen den Wohngebieten und den wichtigsten städtischen Zielen, wie Stadtzentrum, Verwaltungsviertel, Bahnhof und Bäder. Die Hauptverbindungen des Radverkehrs liegen außerhalb der Altstadt an verkehrsreichen Straßen. Deshalb entschied man sich in Waren (Müritz) überwiegend für die Anlage von straßenbegleitenden Radwegen. Hauptproblempunkte waren dabei die Verkehrsführung im Bereich von Knotenpunkten und der Übergang von einseitigen zu beidseitigen Radverkehrsanlagen.
Im Bereich der Altstadt wurden seit 1999 mehrere Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung geöffnet. Die Fußgängerzone ist nur außerhalb der Geschäftszeiten für den Radverkehr geöffnet. Für die Verbindung von zwei Wohngebieten zur Innenstadt wurden zwei Fahrradstraßen eingerichtet. In Bereichen des Hafens oder am Tiefwarensee konnten selbständig führende Radwege genutzt werden.
Die Stadt tangierende Radfernwege und regionale Radwanderwege (z.B. der "Müritzrundweg") laufen innerhalb des Stadtgebiets auf den Hauptverbindungen des Alltagsverkehrs. Die Stadt Waren (Müritz) ist damit in das landkreisweite Radwanderwegenetz eingebunden. Die Stadt Waren (Müritz) hat die Beschilderung der überregionalen und regionalen Radwege in ein eigenes touristisches Leitsystem integriert. Die Ausbildung der Schilder erfolgte mit Ausnahme der Tabellenwegweiser angelehnt an die Empfehlungen der FGSV.
4.2.2 Fahrradparken
Die Anzahl der Abstellanlagen im Stadtgebiet Waren (Müritz) wurde im Lauf der Jahre ständig erhöht. Dabei wurden als Standorte neben den zentralen Orten der Stadt Plätze von touristischem Interesse gewählt (ca. 100 Abstellplätze), wie z.B. der Hafenbereich. Dabei handelt es sich in erster Linie um Anlehnbügel. Weiter stehen an touristischen Schwerpunktbereichen im Stadtgebiet ca. 20 Fahrradboxen zur Verfügung, die von Radwanderern gut angenommen werden.
4.2.3 Intermodalität
Die Stadt Waren (Müritz) ist Ausgangspunkt für Fahrradausflüge zahlreicher Urlauber. Um den Aktionsradius der Urlauber zu erweitern und die umgebende ländliche Region, zu der auch der Müritz-Nationalpark gehört, am Fahrradtourismus teilhaben zu lassen, wurde die Verknüpfung der öffentlichen Verkehrsmittel wie Bus, Bahn oder Schiff mit Möglichkeit zur Fahrradmitnahme als besonders wichtig erkannt. Seit Jahren bewährt hat sich die Mecklenburger Nationalpark-Ticket-Linie von Waren (Müritz) über Speck nach Boek und zurück. Für den Fahrradtransport auf der Buslinie werden Fahrradanhänger genutzt, die aufgrund ihrer Bauweise relativ einfach zu be- und entladen sind.
Das seit mehreren Jahren angebotene Nationalpark-Ticket, das die kombinierte Nutzung von Bus, Bahn und Schiff vorsieht, wird jährlich von einer hohen Zahl von Urlaubern nachgefragt.
4.2.4 Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Um das Fahrrad als Alltagsverkehrsmittel aus dem bis 1999
vorherrschenden "Schattendasein" wieder herauszuholen, wurden neben
Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur auch
Marketinginstrumente angewandt, die zur Schaffung eines
fahrradfreundlichen Klimas beitragen sollen:
- Schüler- und Haushaltsbefragungen zur Verkehrsmittelwahl
- Alljährlicher Umwelttag
- Jährliches Radfahrfest in Zusammenarbeit mit einem örtlichen Baumarkt
- Geführte Radwanderungen in Zusammenarbeit mit einer Krankenkasse
- Fahrradstadtplan
- Schulwegsicherungsplan
Von Seiten der Stadt werden die verschiedenen Initiativen durch den Arbeitskreis "Fahrradfreundliche Stadt" koordiniert und gefördert.
Das fahrradtouristische Marketing ist wichtiger Bestandteil der Tourismusförderung in der Tourismusregion Mecklenburgische Seenplatte. Neben dem Angebot der Wegeinfrastruktur stehen dabei Informationsmaterial wie Radwanderkarten und Reiseführer, aber auch ein umfassender Service wie fahrradfreundliche Unterkünfte oder Fahrradvermietung im Vordergrund.
Die Stadtverwaltung Waren (Müritz) hat für jedes Amt mindestens ein
Dienstfahrrad angeschafft und einen zugehörigen Unterstand gebaut.
Die Fahrräder werden durch ein örtliches Fahrradgeschäft auf
Grundlage eines Wartungsvertrages gepflegt.
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