Bevorrechtigung für Radfahrer und Fußgänger
Vorgezogener Ampel-Druckknopf zur Realisierung einer grünen Welle

Ausgangssituation
Die Stadt Lemgo verfügt über eine Wallanlage, die im 19. Jahrhundert auf der Fläche der ehemaligen Stadtbefestigung entstand. Sie bildet einen autofreien grünen Ring, der von Radfahrern, Fußgängern, Joggern und Walkern gleichermaßen genutzt wird.
Der die Innenstadt umgebende Wall übernimmt im Radverkehrsnetz der Stadt Lemgo seit langem eine wichtige Verteilerfunktion für die Radverkehrsverbindungen von den Außenbezirken in die Innenstadt. Zudem werden radtouristische Routen über den Wallring geführt. Bis zu 170 Radfahrer in der Spitzenstunde nutzen die Wallanlage, mehr als in jeder anderen Straße in Lemgo. Die Bündelung des Radverkehrs auf dieser attraktiven, verkehrsarmen Route wird auch durch die Radverkehrswegweisung gestützt. Der Wall wird durch ein eigenständiges Logo gekennzeichnet, das auch im Fußgängerleitsystem der Stadt aufgegriffen wird.
Ziel des Projekts
Die Verteilerfunktion des Walls sollte weiter gestärkt werden, indem der Rad- und Fußgängerverkehr auf dem Wall gegenüber der kreuzenden Regenstorstraße bevorrechtigt wird; die Querung war bisher untergeordnet.
Vorbereitende Maßnahmen
Im Rahmen einer Voruntersuchung wurde auf Grundlage von Planunterlagen und eingehenden Ortsbesichtigungen geprüft, welche Anforderungen und Maßnahmen erforderlich sind, um eine verkehrsrechtlich einwandfreie und verkehrssichere, bevorrechtigte Radverkehrsführung zu gewährleisten.
Auf Basis dieser Vorstudie fand ein intensiver Diskussionsprozess unter Einbeziehung der Politik, der Verwaltung und des hiesigen Blindenvereins statt. Eine Besichtigung von Beispielen bevorrechtigter Überquerungsstellen für Radfahrer in der Landeshauptstadt Hannover brachte letztendlich das gewünschte Resultat. Die Verwaltung wurde daraufhin vom Verkehrsausschuss beauftragt, eine ausführungsreife Planung für die Querungsstelle Regenstor zu erstellen.
Im Abstimmungsprozess wurden folgende grundlegende Vereinbarungen
getroffen:
- Die Querungsstelle Regenstor bleibt signalisiert.
- Die Anordnung und Ausbildung der Bodenindikatoren für sehbehinderte und blinde Menschen wurde mit dem Blindenverein abgestimmt und berücksichtigt die Entwurfshinweise des Leitfadens "Barrierefreiheit im Straßenraum" des Landesbetriebes Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Stand 20.06.2008).
- Die Bordausbildung im Bereich der Querungsstellen stellt einen Kompromiss zwischen den Belangen sehbehinderter und blinder Menschen einerseits sowie Mobilitätseingeschränkter und Radfahrer andererseits dar. Im Bereich der Fußgängerquerung wird ein Rundbordstein mit 3 cm Ansicht eingesetzt.
- Im Bereich der Querung des Radverkehrs wird eine vollständig barrierefreie Ausbildung vorgesehen.
- Allen geäußerten Bedenken hinsichtlich eventuell vorhandener Sicherheitsdefizite soll nach Möglichkeit Rechnung getragen werden.
Projektumsetzung
Die Maßnahme wurde beschränkt ausgeschrieben und an zwei örtliche Unternehmen vergeben (getrennt in Signalanlage und Baumaßnahme). Realisiert wurde die Gesamtmaßnahme November/ Dezember 2008. Die Bauleitung wurde durch die Stadt Lemgo wahrgenommen.
Am Regenstor wurde die erst vor wenigen Jahren blindengerecht erneuerte Fußgängersignalanlage aus Sicherheitsgründen und wegen der Zahl der querenden Kfz beibehalten. Durch zusätzliche Anforderungstaster, die ca. 30 m vor der Querungsstelle aufgestellt wurden, können Radfahrer (und auch Jogger etc.) deutlich komfortabler den signalisierten Knoten queren.
Grundsätzlich ist die Steuerung der Signalanlage in zwei unterschiedliche Anforderungszenarien zu gliedern:
Vorgezogene Grünanforderung
- Die Ampel steht in Grundstellung und zeigt dem Kfz-Verkehr Grün an.
- Ein Radfahrer betätigt den ca. 30m vor der Anlage befindlichen Taster.
- In ca. 12 Sekunden springt das Radfahrer-/Fußgängersignal auf Grün, so dass die Fahrbahn bei angepasster Geschwindigkeit (3m/s) ohne Halt gequert werden kann.
Grünzeitverlängerung
- Die Signalanlage steht noch auf Grün für den Radfahrer aus der letzten Anforderung.
- Ein erneutes Betätigen des Tasters durch später eintreffende Radfahrer oder Jogger verlängert die Grünzeit im Zuge des Walles um 9 Sekunden.
- Das kann bis zu dreimal wiederholt werden, erst dann ist der Kfz-Verkehr wieder an der Reihe.
Somit wird vermieden, dass der Radler, wie früher, von weitem Grün sieht, aber erst bei Rot an der Signalanlage ankommt. Dadurch werden der Komfort deutlich gesteigert und Rotlichtverstöße vermieden.
Langsamere Fußgänger können weiterhin die Anforderung an der Querungsstelle nutzen. Hier erfolgt die Freigabe, wenn sich die Ampel in der Grundstellung befindet, nach ca. 3 Sekunden und ermöglicht so ebenfalls ein zügiges Queren. Die maximale Wartezeit bei erstmaliger Anforderung durch Wallnutzer beträgt ca. 25 Sekunden.
Bauliche Änderungen
Die Signalanlage wurde um die vorgezogenen Drucktaster incl. der erforderlichen Programmsoftware erweitert. Blinde und sehbehinderte Menschen werden durch Noppenplatten zu dem Querungsbereich mit einer Bordansicht von 3 cm geführt. Dort zeigen Rippenplatten, die auf 1,50m Breite verlegt wurden, dem sehbehinderten Menschen die Gehrichtung an.
Für den Radverkehr sowie für Mobilitätseingeschränkte ist ein Teil
der Querung (2m Breite) vollständig barrierefrei ausgebildet
worden.
Die Kosten für die baulichen Änderungen am Regenstor belaufen sich
auf rd. 10.000 Euro, die Arbeiten an der Signalanlage schlagen mit
rd. 8.000 Euro zu Buche.
Fazit
Insgesamt ist festzustellen, dass sich die Nutzung der Wallanlagen einer immer größeren Beliebtheit erfreut. Dabei werden die Komfortverbesserungen durch Wegfall bzw. Verringerung von Wartezeiten beim Queren der Regenstorstraße positiv vermerkt.
Da Beobachtungen gezeigt haben, dass immer mehr aber längst noch nicht alle Nutzer des Walles die Möglichkeit der vorgezogenen Taster und somit der Schaltung der "Grünen Welle" kennen, sind zur weiteren Verbesserung der Akzeptanz Berichte in der örtlichen Presse veröffentlicht und ein Flyer erstellt worden, der seit dem 29.06.09 im Umlauf ist.
Die Verbesserung der Querungssituationen im Zuge der Wallanlage
stärkt deren Funktion innerhalb des Verkehrsnetzes ebenso wie die
Kennzeichnung mit einem hierfür entworfenen "Wall-Logo" und einer
begleitenden Öffentlichkeitsarbeit. Sie stellt einen wichtigen
Baustein der Lemgoer Radverkehrsförderung dar und unterstützte
maßgeblich die Aufnahme der Alten Hansestadt Lemgo in die
Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte, Gemeinden und Kreise
in NRW als 50. Mitglied.
Kurzlink zu dieser Seite: nrvp.de/12121